Ui! Einer der prominentesten Popkritiker des Landes hat mich in der tageszeitung als Lebendbeispiel für einen „linke[n] Kulturpessimisten“ angeführt, der Remixe für „Trojanische Pferd[e] der neoliberalen Unterwanderung unseres Alltags“ hält. Lustig verquaster Blödsinn! Aber auch ärgerlich, denn: 1) seine Projektionen klingen fast plausibel und 2) er schummelt.
Lesen Sie hier.
Hier meine Antwort:
Herr Walter!
ich finde etwas beunruhigend, wie ausführlich Sie das Feindbild des „Puristen“ und „linken Kulturpessimisten“ an die Wand malen, was Sie ihm alles für Ängste und irrationale Ressentiments zuschreiben und wie Sie dann, um seine angebliche Existenz zu belegen, ein einziges Zitat heranziehen. Und zwar von mir! Und dann klingt das in der Oberlehrerhaftigkeit meiner Formulierung auch noch so, als könnten Sie Recht haben!!
Mist, 1:0 für Sie.
For the record: Ich habe überhaupt nichts gegen Remixe oder „digitale Reproduzierbarkeit“ oder „neue Technologien“. Im Gegenteil: Ich finde wenig Auratisches an einer Compact Disc und will auch nicht das Internet abschalten. (Wenden Sie sich hierfür vertrauensvoll an Bill Kaulitz und Hosni Mubarak.)
Das alles wird aber auch in meiner „We’re New Here“-Kritik deutlich, wenn man sie nicht nur dort zitiert, wo ich mich an einer polemischen Pointe versuchte. Das Remixalbum „We’re New Here“ klingt gut, ist aber einer Dimension beraubt, die das Original für mich besonders interessant machte: Gil Scott-Herons scheinbar autobiographischen Texte, die es schaffen, explizit politisch, dabei aber nicht peinlich zu sein. Das und nichts anderes habe ich bemängelt.
Sie selbst erlauben sich zu Gunsten des polemischen Effekts argumentative Taschenspielertricks, wenn Sie verschweigen, dass schon „I’m New Here“ ein Album ist, dass sammelt und samplet, alte und neue Musiktraditionen und Sounds mixt, was in meiner Rezension auch gewürdigt wurde. Wenn es die Puristen und Pessimisten gibt, von denen Sie schreiben, dann werden die auch „I’m New Here“ scheiße finden. Und sich um dessen Remix nicht scheren.
Nichts für Ungut & herzliche Grüße,
Oskar Piegsa
Monate später: Fühlt sich Walter zu einer Reaktion aufgerufen? Nö.