Was Xatar über Bildung denkt

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Neulich haben Martina Kix und ich den Rapper Xatar interviewt, den auch viele Menschen kennen, die mit Rap weniger zu tun haben: Der Regisseur Fatih Akin hat mit Rheingold gerade einen Spielfilm über ihn gedreht.

Wir sprachen mit Giwar Hajabi, wie Xatar bürgerlich heißt, über seine Bildungsbiografie. Also über seine Eltern, die aus dem Teheraner Kulturbürgertum stammen (bis die Islamische Revolution das zerstört hat) und über die Flucht der Familie nach Bonn, wo Hajabi aufwuchs.

Außerdem über sein Scheitern in der Schule (»Wie groß war die Enttäuschung bei Ihren Eltern, dass Sie kein Abitur gemacht haben?« — »Es war eine Katastrophe«) und über die Bücher, die er im Gefängnis gelesen hat. Das war später, als er wegen des Überfalls auf einen Geldtransporter zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, das letzte von etlichen Drogen- und Gewaltdelikten.

Es geht also um alles außer Rap. OK, stimmt nicht: Dr. Dre spielt eine Rolle und es gibt Shout-Outs an Samy, SSIO und Schwesta Ewa, die Hajabi auf seinem Label unter Vertrag hat.

Inzwischen ist Xatar nämlich Unternehmer. Und falls doch noch mal ein SEK bei ihm zu Hause vorbeischaut, nimmt man das in seiner neuen Nachbarschaft gelassen: »Wissen Sie, es gibt die Reihenhaus-Reichen und die Anwesen-Reichen. Die Anwesen-Reichen sind entspannt. Die haben alle Geld ohne Ende und selbst Dreck am Stecken.«

Lesen kann man das in der neuen Ausgabe der ZEIT oder hier online (für Abonnent*innen).

Fünf neue Alben, je ein Song, je ein Satz

»Leider geil ist das nichts mehr.«

– über Neues vom Dauerzustand, das neue Album von Deichkind

»Man denkt an Trettmann, den großen Melancholiker der Bassmusik.«

– über Glas, das Debütalbum von Nina Chuba

»Sehr vintage klingt dieses wirklich schöne Album«

– über Der Assistent, das Debütalbum von Der Assistent

»Die Psychedelik der Sechziger, die Punk-Attitüde der späten Siebziger, die Endzeitstimmung und Experimentierfreude der Achtziger, all das brachte diese faszinierende, seit Jahren vergessene Band zusammen.«

– über Jahre 1981-2021 (+1), das Best-of-Album von Kastrierte Philosophen

»Ist diese Platte nicht ein Wunder?«

– über Hey Dostum, Çak!, das neue Album von Derya Yıldırım und Graham Mushnik

… minimal ausführlicher schreiben Christoph Twickel und ich über diese fünf neuen, allesamt hörenswerten Alben in den Hamburg-Seiten der ZEIT (ab heute am Kiosk).

Tschüß, Fettes Brot!

Fettes Brot

Die drei Herren auf dem Bild links sind Fettes Brot, fotografiert von Alexandra Polina in der Bernstorffstraße.

Wer sich jetzt die Hamburch-Ausgabe der ZEIT holt, kriegt zusätzlich zum Foto noch das große Interview mit der Band darüber, warum sie jetzt nach dreißig Jahren aufhört. Und was danach kommt. Und wie lange es dann wohl noch bis zur Reunion dauert.

Das Interview, das meine Chefin Maria Rossbauer und ich führten, ist hier auch online zu lesen. Und meine Würdigung von Fettes Brot, geschrieben als uns im vergangenen Jahr die Nachricht ihrer Auflösung ereilte, steht hier (beides Texte für Leute mit ZEIT-Abo).

Die beiden Abschiedskonzerte von Fettes Brot am 1. und 2. September auf der Bahrenfelder Trabrennbahn sind leider längst ausverkauft.

Hamburger Arroganz feat. Kurtis Blow

Ein wunderbares Fundstück deutscher Popgeschichte, gepriesen sei YouTube. WTF ist das? Hier erklärt’s André Luth (Yo Mama / Fettes Brot Schallplatten GmbH):

»In den Mitt-Achtzigern gab es die Band Hamburger Arroganz, die so eine Art Wham-Rap auf Deutsch versuchten. Die hatten sogar eine Single mit Kurtis Blow.«

(Quelle, S. 20)

Als Antwort auf die Frage, wer zuerst auf Deutsch rappte, wäre womöglich auch diese Band zu nennen (ohne behaupten zu wollen, dass sie was mit HipHop zu tun hat, Kurtis-Blow-Feature hin oder her). Bis die ersten Aufnahmen von Advanced Chemistry, Cora E. und anderen erschienen, sollten jedenfalls noch Jahre vergehen.

Ende 2021 gab es offenbar eine Reunion von Hamburger Arroganz, inkl. der Veröffentlichung neuer Songs, bisher allerdings weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Meine Damen und Herren: Es gibt hier eine Band wiederzuentdecken!

Wo ist das Publikum?

Mein Kollege Christoph Twickel kommentiert auf ZEIT ONLINE den Status Quo der Live-Musik und Clubkultur:

Bookingagenturen, Musikerinnen und Musiker – alle erzählen dasselbe: Es kommen im Schnitt noch 30 bis 40 Prozent der Leute zu den Konzerten. »Wir haben Zuschauereinbrüche ohne Ende«, sagt Dirk Matzke vom Knust, ein Hamburger Konzertclub in bester Schanzenviertellage. Das Reeperbahnfestival, das diesen Mittwoch in Hamburg beginnt, hat ein Drittel weniger Karten verkauft als vor der Pandemie. Rocko Schamoni – Sänger, Autor, Mitgründer von Studio Braun, ein Mann mit solider Fanbasis – hat vor der Pandemie zweimal das Gloria in Köln mit jeweils 800 Menschen ausverkauft. Im August spielte er dort vor 270 Gästen. Ein Konzert in Bremen musste letzte Woche abgesagt werden, der Vorverkauf lief nicht gut.

Und:

In der Konzertbranche verweisen viele auf das Überangebot – die während der Pandemiebeschränkungen ausgefallenen Termine müssen nachgeholt werden, daher gibt es mehr Konzertangebot denn je. Doch auch bei den Nachholterminen, erzählen die Veranstalterinnen und Veranstalter, gibt es No-show-Raten von einem Drittel und mehr. Die Leute lassen ihre schon gekauften Tickets einfach verfallen.

Was ist da los? Unklar, zumal Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie offenbar nicht unter vergleichbaren Umsatzrückgängen leiden. Den ganzen Text gibt es hier (für Abonnierende).

Neues Forschungsprojekt zu Hamburger Musikgeschichte(n)

Thorsten Logge, Geschichtsprofessor an der Uni Hamburg, sagte mir neulich im Interview:

Hamburg vermarktet sich als Musikstadt, doch zeitgleich erleben wir, dass Räume der Subkultur verschwinden. Bunker, in denen sich oft Proberäume befinden, werden geschliffen. Musikalienläden machen zu. Wir haben kein gutes Verständnis davon, was eine Musikstadt außer Marketing ausmacht.

Doch:

Nur wer die Geschichte kennt, kann auch die Gegenwart verstehen oder Prognosen für die Zukunft abgeben.

Deshalb hat Logge ein Forschungsprojekt namens »Hamburger Musikgeschichte(n) der 1970er- und 1980er-Jahre« gestartet.

Etwas ausführlicher schreibe ich darüber auf ZEIT ONLINE (für Abonnent*innen).

Es gibt von Oktober bis Dezember auch ein öffentliches Veranstaltungsprogramm mit dem Konzertveranstalter Karsten Jahnke, der Historikerin Julia Sneeringer (die unter anderem dieses lesenswerte Buch geschrieben hat), Schorsch Kamerun (Goldene Zitronen), Holger Jass (Onkel Pö) und anderen. Mehr Infos dazu hier.

Fettes Brot, R.I.P.

Anlässlich der angekündigten Auflösung von Fettes Brot habe ich eine Art Nachruf geschrieben. Es geht darin auch um Antilopen Gang, Beginner, Cora E., Digger Dance, Fatoni, Juse Ju, Kollegah, Yung Hurn – also irgendwie um alle. Ah, und um Alanis Morissette! (Allerdings nur ihre Haare, nicht ihr Musical.)

Die These lautet, dass Fettes Brot erstens besser sind, als viele denken, und zweitens wacher. Sie können das hier auf ZEIT ONLINE lesen (ohne Aboschranke).

Deine Freunde: Pro und Contra

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Deine Freunde machen Rap für Kinder und feiern gerade ihr zehnjähriges Jubiläum.

Im Feuilleton der ZEIT erkläre ich, warum ich sie für eine der interessantesten deutschsprachigen Bands überhaupt halte. Außerdem vergleiche ich sie mit Bill Withers und The Velvet Underground.

Jens Balzer erklärt daraufhin, warum er glaubt, dass ich kiffe. Und zwar mit meinen Kindern. Denen ich demnach auch darüber hinaus in ihrer Geschmacksbildung und Autonomiebestrebung Gewalt antue.

Lesen Sie die Feuilletondebatte des Frühjahrs, deren Temperament bereits von der Zeile angedeutet wird, die Lars Weisbrod als Redakteur kongenial drüberschrieb: »Du Eierloch!«

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Zwei erwachsene Männer streiten über Kinderkram. 💥 Im Pro und Contra, jetzt in der ZEIT oder hier auf ZEIT ONLINE.