Abo-Werbung, aber in gut:

Missy

Beim Blättern im neuen Missy Magazine purzelte diese Karte aus dem Heft: Ein »Liebesbrief« an die Abonnent*innen, der zugleich einen kleinen Blick hinter die Kulissen erlaubt (und damit deutlich macht, warum Abos fürs Überleben des Magazins entscheidend sind).

Vielen Printmedien liegen diese »Ihre Meinung ist uns wichtig«-Briefe bei. Die geben sich als persönliche Anschreiben des Chefredakteurs aus, was kein Kompliment für die Intelligenz der Leser*innen ist: Jede*r sieht, dass es sich um billigen und massenhaft produzierten Postwurfsendungsmarktforschungsbullshit handelt.

Bei Missy dagegen: Offene Worte. Und rückseitig ein Motiv der Illustratorin Antimimosa, deren Arbeiten auch im Heft zu sehen sind, gedruckt auf festem Karton, fast eine kleine Kunstedition, die man sich rahmen und aufhängen könnte.

Es ist das erste Mal, dass ich Werbepost aus einer Zeitschrift nicht gleich wegwerfe, sondern das Gefühl habe: Hier will wirklich jemand jemandem danke sagen.

OK, ich kündige mein Abo doch nicht.

Wie »Schöner Wohnen« die BRD prägte

Ich habe über die Zeitschrift Schöner Wohnen der 1960er- und 1970er-Jahre gesprochen. Mit zwei Leuten, die gerade an Doktorarbeiten zu diesem Thema schreiben.

Ja, das gibt’s! Und es ist sogar interessant. Klicken Sie hier für das Gipfeltreffen der Schöner Wohnen-Forschung und erfahren Sie mehr über das Einfamilienhaus als politisches Erziehungsinstrument im Kalten Krieg und darüber, wie Geschlechterrollen die Architektur formten – und umgekehrt.

(Kostenlos lesbar für Abonnentinnen und Abonnenten der ZEIT.)

Wie Yoga aus der Gegenkultur in den Mainstream kam

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Yoga in den USA eine Betätigung eher randständiger Gestalten. Hippies, Sinnsucher*innen und Anhänger*innen der Gegenkultur entdeckten die Praxis für sich, die sie als eine dezidiert spirituelle verstanden, als Teil fernöstlicher Denktraditionen und Lebensformen und als eine Alternative zum westlichen Materialismus. Das war in den späten 1970er-, frühen 1980er-Jahren.

Heute ist Yoga ein Multimillionenmarkt, eine Sache der Konzerne, der von ihnen gekauften Fitness-Influencers und der eifrigen Angestellten, die ihnen folgen. Yoga ist ein Sport — fast niemand sagt heute noch entschuldigend, er mache Yoga, »aber ohne den Esokram«, wie man das vor 10, 15 Jahren noch gelegentlich hörte, denn der »Esokram« ist vom öffentlichen Image Yogas sauber abgeschliffen worden.

Pointiert gesagt ist aus einer Praxis der antikapitalistischen Lebensführung eine Leibesertüchtigung für den Kapitalismus geworden.

Die Sozialwissenschaftler*innen Kamal Munir, Shazad Ansari und Deborah Brown haben diese Entwicklung nachgezeichnet.

( … weiterlesen auf Piqd.de … )

twen, 1962: Weniger ist mehr

mde

Drei Doppelseiten aus twen, Nr. 1/1962 (Seite 32—35). Thema und Zeile sind nicht gut gealtert, aber wie die riesig aufgeblasenen Fotos ballern: Wow.

Und die Idee, die Headline der Titelgeschichte nur ganz klein unten rechts ins Bild zu schieben, wie geflüstert und im vollen Vertrauen auf die Kraft des Fotos: Doppelwow.

Den ganzen Text gibt es hier. Geschrieben hat ihn Sarah Sonntag (wohl ein Pseudonym), Fotos von Willy Rizzo (Cover), Jeanloup Sieff und Joan van der Keuken. Chefredakteur Willy Fleckhaus.

Mehr zu twen in diesem Buch (nur noch antiquarisch erhältlich), mehr zur Arbeit von Willy Fleckhaus (als Gestalter bei twen, bei Suhrkamp, beim FAZ Magazin, … ) in diesem Buch.

Spex, 1988: »The German Issue«

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Im September 1988 veröffentlichte die Popkultur-Zeitschrift Spex ihre »German Issue« mit den jungen Goldenen Zitronen auf dem Cover sowie der Ankündigung: »Deutschland alle Bands komplette Liste 255 deutsche Bands«.

Gehen wir mal davon aus, dass das mit der »kompletten Liste« nicht ganz ernst gemeint war. Genau so wenig wie die Nationalfarben und die Frakturschrift auf dem Cover.

(Bei der Betitelung als »The German Issue« handelt es sich wiederum mutmaßlich um einen Verweis auf diese Ausgabe der Zeitschrift Semiotext(e) aus den USA).

Trotzdem folgt im Heft eine Liste von »A« — »Abwärts« bis »X/Y/Z« — »Yellow Sunshine Explosion« (Kurzbeschreibung: »Dortmunder Garagen-Acid, in ihrer Stadt auf verlorenem Posten«). Insgesamt nimmt die Liste — mit Bezugsadressen und allem — 14 Seiten ein (von 84 Seiten insgesamt).

Weiterlesen „Spex, 1988: »The German Issue«“

Magazine Blowout Sale

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Ich verramsche Teile meiner Zeitschriftensammlung, u.a. jahrgängeweise die ziemlich starke neue Interview (US), einzelne teils vergriffene Ausgaben von n+1, The Baffler, Adbusters, The Atlantic und ein paar reizende historische Kuriositäten (»Machen die Sowjets das Rennen doch?«).

Ich ziehe um, that’s why, in eine schöne neue Wohnung, aber ohne die ca. 20 qm Dachbodenfläche wie bisher. Ausschließlich Kampfpreise. Annoncen hier.

Männer, Frauen und Nudeln

Einstiegsszene eines Berichts über die Schwäche der FDP aus dem Cicero-Magazin (Septemberausgabe):

»Spaghetti mit Pfifferlingen bei einem Italiener in Potsdam, richtiger Appetit sieht anders aus, das kann auch an den 30 Grad im Schatten liegen. Die Luft steht, Linda Teuteberg dreht und dreht und dreht, gedankenverloren nach dem Wort suchend, bis die Nudelkugel an ihrer Gabel und auf dem Löffel eine beachtliche Größe angenommen hat. ›Dilemma‹, sagt sie dann und schaut von der Gabel auf: ›Ein Dilemma.‹ Dann wickelt sie ein paar Nudeln wieder ab und führt die Gabel zum Mund. ›Ein bisschen was muss man ja essen.‹ Die 39-Jährige FDP-Generalsekretärin hat sich eine Woche vor der entscheidenden Präsidiumssitzung zu einem ausführlichen Gespräch bereiterklärt, aus dem man aber nicht zitieren soll. Aber auch fast ohne Worte sagt die Szene viel. Über den absehbaren Ausgang eines Machtkampfes, in dem für sie nur ein Achtungserfolg und der Erhalt der Selbstachtung blieben. Über Linda Teuteberg. Über ihren Zustand. Und über den Zustand ihrer Partei.«

Auch mir scheint, die Szene sage viel, aber ausschließlich über die zwanghafte Neigung einiger deutscher Journalist*innen (bzw. in diesem Fall: dreier Reporter des Cicero), jeden großen Text mit einer Szene zu beginnen, selbst dann, wenn sie gar nichts Szenisches beobachtet haben, geschweige denn etwas mit Aussagekraft.

Andererseits: Dass es nicht leicht ist, die richtigen Worte zu finden, wenn Männer, Frauen und Nudeln im Spiel sind, das wissen wir ja schon seit Loriot.

Still ❤️’ing Magazines: The Gourmand

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Ich weiß nicht, wie viel Lebenszeit ich als Chefredakteur von Zeit Campus damit verbracht habe, an den Titelzeilen unserer neuen Ausgaben zu feilen.

Die Zeile auf dem Cover einer Zeitschrift soll originell sein, aber nicht zu kompliziert. Sie soll catchy sein, aber nicht zu plump. Sie soll einen Kauf triggern – aber journalistisch wahrhaftig sein. Und natürlich soll sie gut aussehen und gut im Layout sitzen. Nicht immer eine leichte Ausgabe.

Die aktuelle Ausgabe von The Gourmand (Nummer 13) zeigt, dass es auch anders geht. Das britische Food-Magazin beweist: Cover können auch ganz ohne Titelzeilen knallen. Ich wollte jedenfalls sofort lesen, was sich hinter diesem Titel verbirgt …

(The Gourmand kostet 16,50 Euro. Das Heft ist in Deutschland nicht ganz einfach zu finden. Ich habe es bei Coffee Table Magazines gekauft, in Hamburg gibt’s das Heft wohl auch bei Gudberg Nerger.)

Still ❤️’ing Magazines: ROM

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Die neue Ausgabe des Post-Internet-Magazins ROM ist ungefähr so groß wie ein iPad, schimmert auch genau so schön, kostet aber ca. 98% weniger. Wenn das nicht der ultimative Weihnachtsgeschenke-Hack ist, dann weiß ich auch nicht.

Ich durfte für dieses Heft eine Kleinigkeit beisteuern und habe mich für einen generationgolfigen Text über meine Jugend zwischen Millennium-Bug und Dotcom-Crash entschieden, der sich dann aber völlig überraschend auswächst zu einem pathetischen Plädoyer für Magazinjournalismus. (Sorry wegen des Spoilers.)

Illustriert haben die Leute von ROM das unter anderem mit dem Foto eines Nokia 3210. Ich hatte so ein ähnliches Handy, aber von Siemens, glaube ich. Manchmal vermisse ich es. Man konnte damit sehr gut Bierflaschen aufmachen.

ROM Nummer 3 gibt’s im Bahnhofsbuchhandel für 10 Euro oder online direkt bei der Redaktion.

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