Die Bedeutung des Studienabschluss

Aus einem Interview mit dem Kulturwissenschaftler Wolfgang Schivelbusch:

»1969 haben Sie Ihren ersten Studienabschluss gemacht, den Magister. Was hat das für Sie bedeutet? War das eine Zäsur?« – »Ich würde sagen: Not-Hochzeit, wenn die Schwangerschaft legitimiert werden muss.«

Erschienen im Buch Die andere Seite. Leben und Forschen zwischen New York und Berlin. Hamburg, Rowohlt 2021. Hier: S. 67.

Schöner leben ohne Tageslicht

In den USA verteilt ein alternder Multimillionär größere Geldgeschenke an staatliche Hochschulen, unter der Auflage, dass sie damit Wohnheime für Studierende bauen, deren Zimmer keine Fenster haben.

What? Der New Yorker berichtet. (Offen bleibt die Frage, ob damit nicht der Hamburger Wiwi-Bunker mit seinen fensterlosen Seminarräumen zur architektonischen Avantgarde aufgewertet wird … )

Gegen die Campus-Uni

Interessantes timing: Kaum geht nach drei Corona-Semestern das Campusleben wieder los (mehr oder weniger), veröffentlicht der Politikwissenschaftler und Publizist Yasha Mounk ein Plädoyer gegen die Campus-Uni angelsächsischer Prägung, für die formlosen, zerrissenen, oft über ganze Städte verstreuten deutschen Unis:

Natürlich, den Studierenden wäre eine echte Campus-Uni, wie ich selbst sie erlebt und geliebt habe, nur zu wünschen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt aber wäre sie eine Katastrophe. Denn in Großbritannien und den Vereinigen Staaten schottet die Campus-Uni die aufstrebende Elite in extremer Weise vom Rest der Gesellschaft ab.

Erstmal nicht unplausibel. Lesen Sie mehr davon, bitte hier entlang.

Präsenzlehre? Welche Präsenzlehre?

Ein Semester »überwiegend in Präsenz« war den Hamburger Studierenden versprochen worden. Konnte das gehalten werden? Weiß keiner.

Zwei Wochen nach Beginn der Vorlesungszeit haben die Hochschulleitungen keinen Überblick, wie viel Präsenzlehre in ihren Häusern stattfindet. Was vielleicht schon einen Hinweis darauf gibt, welche Priorität sie diesem Thema einräumen.

Besonders bitter: Dass Erstsemester klagen, sie sähen die neue Uni alle zwei Wochen für 90 Minuten von innen. Und die Verantwortlichen sagen: Ja, das kann schon sein. What?

Das hätte im vierten Corona-Semester — und im ersten, das wieder im Zeichen der Präsenzlehre stehen sollte — besser laufen können: Mein Kommentar auf ZEIT ONLINE (frei lesbar).

Droht hier ein Angriff?

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Das ist die Helmut-Schmidt-Universität im Hamburg: Ein gepflegter Campus mit interessanter Architektur. In den Gängen hängen Arbeiten von Warhol, Richter und anderen. Ach, und die Bibliothek ist auch ziemlich super!

In dieser Idylle ist jetzt ein Streit ausgebrochen. Denn die Uni, an der Zivilist*innen lehren und fast nur Soldat*innen lernen, soll zu einem militärischen Sicherheitsbereich gemacht werden. So will es das Verteidigungsministerium unter der amtierenden Ministerin Annegret Krampkarrenbauer. Dann gibt es auf dem bisher für alle offenen Campus strenge Zugangskontrollen, die Wachleute werden bewaffnet sein und Schilder vor dem Waffeneinsatz warnen.

Etliche Wissenschaftler*innen sind damit nicht einverstanden — auch deshalb nicht, weil das Verteidigungsministerium sich bei der Begründung der Notwendigkeit dieses Schrittes auf recht nebulöse Ausführungen abstrakter Gefährdungslagen zurückzieht und kein Verantwortlicher ausfindig zu machen ist, der sich den ungeklärten Fragen stellt und die Entscheidung verteidigt (trust me, I’ve tried).

Die ganze Geschichte gibt es hier (für Abonnent*innen der ZEIT).

11 Ideen aus der Zeit der Pandemie

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Es ist nichts gut an der Pandemie. Die Zeit ist vorbei, in der man darüber sinnieren konnte, sie habe doch auch positive Effekte, als Treibstoff für Solidarität etwa oder als großer Entschleuniger. Wer derlei heute noch behauptet, verkennt die Lage. Diese Krise spaltet sozial, statt zu vereinen, und stresst mindestens so sehr, wie sie punktuell entschleunigt. Und damit ist noch nichts über die Toten gesagt. #justmytwocents

Aber auch wenn nichts gut ist an der Pandemie, ist doch gut, wie einige Menschen auf sie reagieren. Für die Hamburgseiten der ZEIT haben Viola Diem und ich mit der Unterstützung des Ressorts 11 Ideen und Initiativen ausgewählt, die uns Hoffnung machen. Und die positive Veränderungen anstoßen, die vielleicht erhalten bleiben in der Zeit nach Corona (wann auch immer das sein wird).

Weiterlesen „11 Ideen aus der Zeit der Pandemie“

Warum gibt es nicht mehr Frauen in MINT-Fächern?

Hier die Einschätzung der Schriftstellerin Sibylle Berg:

Der Wert von Frauen bemisst sich immer noch an ihrer geschlechtlichen Verwertbarkeit. Intellektuelle Fähigkeiten werden bei ihnen bis heute nicht goutiert. […] Studierende der IT-Fächer gelten als Nerds: ästhetisch egal, sozial unverträglich; das ist gerade das Gegenteil aller Eigenschaften, die Frauen immer noch einen gesellschaftlichen, evolutionären Vorteil versprechen. Kurz: Für Frauen ist der Schritt in einen IT-Beruf eine Fuck-you-Entscheidung – während junge Männer mit Staunen und Bewunderung bedacht werden, wenn sie Coding-Fähigkeiten besitzen.

Wenn Berg recht hat, ist wirklich »das Patriarchat« schuld, dass es nicht mehr Frauen gibt, die MINT-Fächer studieren. Aber nicht, weil es Mädchen sagt: »Ihr könnt das nicht«. Sondern, weil es ihnen sagt: »Ihr könnt das schon machen, aber dann seid ihr nicht mehr sexy.«

Ziemlich viele Initiativen, die Mädchen ermutigen wollen, MINT-Berufe zu ergreifen, wären dann argumentativ auf einem ziemlich falschen Weg.

Quelle: »Albernheit ist der Motor, der mich gut gelaunt durch mein Restleben führt«. Sibylle Berg im Gespräch mit Jens Balzer und Maja Beckers. In: Jens Balzer, Maja Beckers, Thomas Vasek und Lars Weisbrod (Hrsg.): Sibylle Berg, Dietmar Dath. Zahlen sind Waffen. Berlin: Matthes & Seitz, 2021, S. 104–116. Hier: S. 108.

Uni Hamburg: Die ersten 100 Jahre

Die Uni Hamburg feierte 2019 ihr hundertjähriges Jubiläum. Sie war in der Weimarer Republik von der SPD als erste demokratische Reformuniversität in Deutschland ersonnen worden (aber: in der Praxis wurde das nix), diente sich im »Dritten Reich« den Nationalsozialisten an, wurde später Nebenschauplatz der »68er«-Bewegung …

Es ist also eine vergleichsweise junge Universität, aber eine, die sich immer wieder neu erfunden und den Zeitgeist gespiegelt hat.

Seit dem runden Geburtstag gibt es ein eigenes Universitätsmuseum im Hauptgebäude am Dammtorbahnhof. Jetzt folgt eine Buchreihe mit Aufsätzen zur Universitätsgeschichte, herausgegeben von den Historikern Rainer Nicolaysen, Eckart Krause und Gunnar B. Zimmermann.

Der erste Band zu »allgemeinen Aspekten und Entwicklungen« ist gerade erschienen, der zweite, der speziell auf die Geisteswissenschaften schaut, soll im Frühsommer 2021 folgen, danach im Halbjahrestakt die abschließenden beiden Bände zu Sozialwissenschaften sowie zu Naturwissenschaften und Medizin.

Mit Rainer Nicolaysen habe ich nun über die ersten 100 Jahre der Geschichte der Uni Hamburg gesprochen. Es wurde ein ziemlich ausführliches Interview, featuring Pfeffersäcke, Kaisertreue, Kolonialbeamte, muffige Talare und überfüllte Hörsäle. Dafür kein Wort zu Corona.

Frei lesbar auf ZEIT ONLINE.