Die Antwort in Kurzfassung: Nein. Etwas ausführlicher habe ich dazu mit meinem Kollegen Frank Drieschner im Podcast Hinter der Geschichte gesprochen.
Frank ist (wie ich) Redakteur der Hamburg-Seiten der ZEIT, wo er sich (anders als ich) schon seit vielen Jahren mit den Verkehrsproblemen der Großstadt auseinandersetzt.
In unserem Podcast rückt er die Verkehrsinnovationen des ITS Kongresses (Lastendrohnen, halbautonome S-Bahnen, ferngesteuerte Mietwagen, … ) in den Kontext und sagt: Das meiste davon brauchen wir nicht. Sondern eigentlich nur eines: Viel weniger Autos in der Stadt.
Woraufhin ich in meiner grenzenlosen Naivität rufe: »Hey, cool, dann ist ja alles ganz einfach!« Franks Antwort in Kurzfassung: Nein.
Kostenlos anhören: Überall, wo es Pocasts gibt und hier.
Video: Eternal von Holly Herndons neuem Album Proto
Quite interesting: Die Musikerin Holly Herndon (hier geht’s zu ihrer Website) hat mit Proto (bei 4AD erschienen) ein Album veröffentlicht, auf dem nicht oder nicht nur sie selbst »singt«, sondern, so die Behauptung der Künstlerin, auch eine KI.
(Ich schreibe »singt« in Anführungsstrichen, weil es sich hier – wenn die Behauptung Herndons stimmt – um eine anthropomorphe Metapher handelt. Nichts, was keinen Körper hat, kann singen.)
Zum Produktionsprinzip sagt Herndon im Gespräch mit dem Pop-Kritiker Jan Kedves in der Süddeutschen Zeitung:
Man kann ein digitales neuronales Netz mit Bach-Noten füttern. Es wird aus diesem Material dann das Regelwerk extrahieren und anfangen, neue Fugen im Bach-Stil zu schreiben. Das ist eine billige Möglichkeit, neue Musik zu produzieren in einem Stil, von dem man weiß, dass er Menschen gefallen wird.
Und weiter:
Solche Algorithmen passen sehr gut in die Ökonomie der Musikindustrie.
Wenn man das ernst nimmt, argumentiert Herndon also nicht, sich hier neuester Instrumente zu bedienen, um eine Ästhetik zu kreieren, die State-of-the-Art ist (was ja ein gängiges Muster wäre in den fortschrittlichen Teilen der Pop-Musik-Produktion), sondern sie erforscht die Technik, die ihr oder zumindest ihren weniger experimentellen Kolleginnen und Kollegen den ökonomischen Boden unter den Füßen wegzuziehen droht.
Ist das präemptive Notwehr? Bei Herndon klingt eher kurzweil’scher Optimismus an:
Eine symbiotische Beziehung zur KI zu entwickeln, ist der natürliche nächste Schritt für uns als Spezies.
Die Weber lernen die Webmaschinen zu lieben, isn’t it romantic?
OK, und wie klingt die Musik, der KI, die im ersten Schritt Herndons Gesang analysiert und im zweiten ähnlich klingende Töne erzeugt hat, bevor diese dann im dritten Schritt von Herndon weiterbearbeitet wurden?
Jan Kedves:
Die Sounds […] lassen sich wohl am ehesten als Röcheln bezeichnen. Oder als panisches Stottern, wie bei einem Kind, dem eine Biene in den Hals geflogen ist.
Was, wie Jan selbst einräumt, eine erzantropomorphe Beschreibung ist. Aber so sind wir Menschen. Solange wir beim Kritikenschreiben noch auf keine KI zurückgreifen können, sondern bloß auf unsere eigene Intelligenz.
Aber immerhin klingt der Text, der auf solch altmodische Art und Weise ensteht, nicht nach Röcheln und Gestotter. Hier geht’s zum ganzen Artikel.
Wie intelligent sind Computer heute schon? Wie intelligent können sie noch werden? Wird das womöglich ein Problem für uns? Um diese Fragen geht es in Superintelligenz, einem Buch des Oxforder Philosophen Nick Bostrom.
Ende der Siebzigerjahre schlägt zum ersten Mal ein Computer einen Menschen in einem Intelligenzwettbewerb. Die Software »BKG« siegt gegen den amtierenden Weltmeister in Backgammon. Vielleicht hatte der Computer bloß Glück, räumt sein Erfinder ein. Anderthalb Jahrzehnte später gibt es mit »TD-Gammon« jedoch bereits ein Programm, das aus Spielen gegen sich selbst dazulernt und heute »die besten menschlichen Spieler weit hinter sich gelassen« hat, wie Nick Bostrom schreibt. Im Poker schwächeln die Künstlichen Intelligenzen (KI) zwar noch, und im Erfinden von Witzen sind sie lausig. Doch auch in Dame, Schach, Scrabble und der Quizshow »Jeopardy« haben sie inzwischen ein »übermenschliches« Niveau erreicht, so Bostrom.
Doch, ha!, das war der Stand von 2014. Heute ist auch Poker nicht mehr sicher. Denn Wissenschaftlern ist es inzwischen gelungen, ein KI-Programm zu schreiben, das (menschliche) Poker-Profis geschlagen hat.
Die Zeitschrift Bloomberg Businesweek meldet in der Ausgabe von vergangener Woche (ich finde den Artikel leider nicht online), dass das kommerzielle Online-Poker bis auf Weiteres jedoch sicher sei. Die allgemein verfügbare Hardware reiche nicht aus, um entsprechende KIs zu betreiben.
In dem Artikel wird ein Poker-Spieler mit den Worten zitiert, er sei sich sicher, dass er online schon gegen Bots gespielt habe, die aber immer leicht zu schlagen gewesen seien. Wie beruhigend.
Überhaupt scheint im Moment weniger die Intelligenz von Computern zum Problem zu werden als die Intelligenz von Menschen.
Das Ende der Menschheit: In den nächsten 30 bis 70 Jahren könnte es so weit sein, glaubt der Philosoph Nick Bostrom. Nicht wegen Pandemien, Klimakatastrophen oder allgemeinen Zerfallserscheinungen. Sondern weil es bis dahin womöglich eine Künstliche Intelligenz (KI) gibt, die schlauer ist als wir – und sich gegen uns erhebt.
Das schreibt Bostrom in seinem neuen Buch Superintelligenz, das einige heftige Reaktionen hervorgerufen hat. (Alard von Kittlitz, zum Beispiel, der bei Neon für Zukunftsthemen zuständig ist und dessen Texte ich oft sehr gerne lese, findet Bostroms Überlegungen total behämmert, wie seiner Rezension in der FAS zu entnehmen war.)
Trotzdem kommt man an den »intelligenten Computern« gerade nicht so richtig vorbei – neulich hat Stephen Hawking dazu aufgerufen, das Thema bloß nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, morgen wird es mehr als hundert Miniessays dazu auf edge.org geben. Ich habe – als Techniklaie und KI-Agnostiker – Nick Bostroms Superintelligenz jedenfalls verschlugen wie einen aufregenden Sci-Fi-Roman.
Sollte dieser Satz nach dem Ende der Menschheit von einem Roboter ausgelesen werden, sage ich: Lach nur, Maschine! Mehr zu Bostroms Buch in meiner Rezension auf Spiegel Online.