Darf man noch »Hipster« sagen? (3) Das neue Ding heißt »Normcore«, schreibt eine New Yorker Trendagentur

photo from the khole youth reportAbb.: Ein Foto aus Youth Mode: A Report On Freedom, dem Hipster-Manifest der Trendagentur K-Hole

In der Hipster-Diskussion hat sich einiges getan seit meinen letzten Postings. Der neue Player ist K-Hole, eine New Yorker Trendagentur – oder vielleicht eher die Parodie einer New Yorker Trendagentur, wer weiß.

Jedenfalls veröffentlichte K-Hole vor einigen Wochen ein Dokument namens Youth Mode: A Report On Freedom (hier gibt’s die PDF, zuerst gelesen habe ich davon in De:Bug, bezahlt hat den K-Hole-Report offenbar Box 1824).

In dem Report bennen K-Hole drei Folgen des zeitgenössischen Hipsterism, den sie »Mass Indie« nennen:

  1. »Seeming Like a Clone«
  2. »Isolation«
  3. »Maxing Out«

Probleme Eins und Zwei beschreiben das soziale Grunddilemma der Mode: Einerseits will man dazugehören. Andererseits will man einzigartig sein. Selbst wenn man dazu gehört, will man kein Klon sein. Selbst wenn man einzigartig ist, will man nicht einsam sein.

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Darf man noch »Hipster« sagen? (2) Hier kommen die »Mipsterz«

Video: Das sindse, die selbsterklärten »Mipsterz«

Ein Video auf YouTube: Junge & hübsche & selbstbewusste Frauen fahren mit dem Longboard durch die Stadt, laufen im Gegenlicht durch den Park, hängen auf Feuerleitern rum. Im Hintergrund rappt Jay-Z über die Skandalnudel der Saison (»Twerk, Miley, Miley, twerk!«). Nach zweieinhalb Minuten ist alles vorbei. Tja. Sonst noch was? Ach ja: die Frauen tragen Kopftuch.

»Mipsterz« heißt das Video, das Anfang des Monats veröffentlicht wurde. Das ist kurz für »Muslim Hipsters« und es gibt bereits die dazu passende Fanpage auf Facebook, eine Google-Group und einen Hashtag auf Twitter. Und einen Tumblr, natürlich.

Mein erster Gedanke dazu war: Wow. Das fast bis zur Bedeutungslosigkeit verkümmerte H-Wort taucht hier in einem neuen Kontext auf, dieses Mal als Selbstbezeichnung – und provoziert auf einmal wieder. Das »Mipsterz«-Video ist eine Adrenalinspritze für die »Hipster«-Debatte.

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Darf man noch »Hipster« sagen? Und was hat das mit Miley Cyrus zu tun? Schnelle Zwischenbilanz zur jüngsten Begriffsgeschichte

Video: Miley Cyrus verwandelt bei den American Music Awards die Bühne in ein Tumblr. Ein später Sieg des Hipsterism?

Es ist ja nicht so, dass wir immer gewusst hätten, wovon wir sprachen. OK, früher (zu Zeiten von Diedrich Diederichsens Sexbeat), oder ganz früher (zu Zeiten von Norman Mailer & Twen), da wussten die Leute vielleicht, was gemeint war, wenn einer »Hipster« sagte.

Aber seit der Begriff wieder Teil des Sprechens und Nachdenkens über zeitgenössische Kultur geworden ist, also spätestens seit 2008, als Adbusters zur Hipster-Kritik ansetzte, und verschärft noch einmal ab 2010, als der breit rezipierte n+1-Reader What was the Hipster erschien (Sexbeat war 1985, Twen 1962), war da immer auch eine Unschärfe – wohl auch deshalb, weil diese Begriffsgeschichte des »Hipster« kaum eine Rolle spielte.

Bereits in seinem ergänzenden Kapitel zur deutschen Übersetzung von What was the Hipster (erschienen 2012 unter dem schlichten Titel Hipster) wies Jens-Christian Rabe darauf hin, dass »Hipster« heute (= Anfang 2012) vor allem als Schimpfwort benutzt werde und dabei an Trennschärfe einbüße. Ein »Hipster« sei demnach so etwas wie ein »irrer Idiosynkrat«, ein »krampfiger Exzentriker«, bestenfalls noch ein »Konsum-Avantgardist«, in jedem Fall aber ein Opfer des »Distinktionswahn«.

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Ein Selbstgespräch über die neue Ausgabe von Zeit Campus (2/13)

ZEIT CAMPUS 2-2013 Teilzeit

Was ist das denn? Ein Einblick in die neue Ausgabe von Zeit Campus (Ausgabe 2/2013, März/April), an der meine werten Kollegen und ich die letzten zwei Monate gearbeitet haben. Ist ganz gut geworden, glaube ich.

Warum ist das so scheiße fotografiert? Weil ich das Heft mit dem iPad geknippst habe. Denn unser Magazin gibt es nicht nur ab heute im Kiosk, sondern neuerdings auch im App-Store. Hallo unscharfe Zukunft!

Äh, und was steht drin? In der Titelgeschichte geht es um unfaire Noten. Im Mensagespräch um den Penis von Lars Eidinger. Außerdem stellen wir Leute vor, die keinen Bock haben, ihr ganzes Leben an die Arbeit zu verschwenden (oben), überprüfen den Kinofilm Spring Breakers auf seinen dokumentarischen Gehalt (unten) und fragen nach, wie es ist, bei Fatih Akin Film und bei Josef Ackermann Finanzwirtschaft zu studieren (ganz unten).

Meine Freundin sagt, ihr seid Hipster. Stimmt das? Eher nein. Ich kann jetzt natürlich nicht für alle aus der Redaktion sprechen, aber ich neige zu einem empathischen Hipsterbegriff, der an Thomas Meinecke geschult ist. Und dem werden wir wohl nicht gerecht. Aber unser Coverfoto ist von den Synchrodogs. Immerhin!

Blablabla! Das Heft kostet übrigens 2,80 Euro. Also weniger als ein halber Liter warme Milch mit Kaffee im Pappbecher. Abo geht auch. Am besten, Sie zögern nicht lange und unterschreiben gleich hier.

ZEIT CAMPUS 2-2013 Rausch

ZEIT CAMPUS 2-2013 Promis

Fünf (plus fünf) Bücher des Jahres 2012

Spontan & schmerzfrei: Einige Bücher, ohne die das Jahr für mich ganz anders verlaufen wäre. An die ich mich auch 2013 noch erinnern werde. Und die ich ohne Einschränkungen weiterempfehle.

1. Ein Roman, von dem Freunde sagen »Das ist nie und nimmer eines der Bücher des Jahres!«:
Michael Muhammad Knight – Taqwacore (bei Rogner & Bernhard, hier meine Rezension)

2. Der einzige Roman auf der Buchpreis-Shortlist, den ich freiwillig & gern gelesen habe:
Ulf Erdmann Ziegler – Nichts Weißes (bei Suhrkamp)

3. Der ausgezeichnete Debütroman des Jahres:
Olga Grjasnowa – Der Russe ist einer, der Birken liebt (bei Hanser, hier unsere Jury-Begründung)

4. Ein großartiger Essay, den zu viele Leute noch nicht gelesen haben:
Emmanuel Carrère – Limonow (bei Matthes & Seitz Berlin, hier meine Rezension)

5. Ein lesenswertes Sachbuch zu einem Thema, von dem ich jetzt schon nichts mehr wissen will:
John Gray – Wir werden sein wie Gott (bei Klett-Cotta, hier meine Rezension)

Außerdem unvergessen & unsortiert: John Jeremiah Sullivan – Pulphead (bei Suhrkamp), Katja Kullmann – Rasende Ruinen. Wie Detroit sich neu erfindet (bei Suhrkamp), Beatriz Preciado – Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im Playboy (bei Wagenbach), Christian Kracht – Imperium (bei Kiepenheuer & Witsch), Mark Greif (Hrsg.) – Hipster. Eine transatlantische Diskussion (bei Suhrkamp)

Das wird im nächsten Jahr schlechter: Ich werde nicht mehr als nervöser Fanboy im Kölner Literaturhaus zwischen Mark Greif und Diedrich Diederichsen sitzen und so tun, als würde ich die beiden moderieren.

Das wird im nächsten Jahr besser: Ich werde nicht mehr in jeder zweiten Verlagsvorschau den blöden und unbegründeten Satz lesen »Dieses Buch könnte die Bibel der Occupy-Bewegung werden!«

Das ist an dieser Liste unseriös: 1. Sie schafft nicht die Frauenquote von mehr als 30 Prozent. 2. Im Dezember kommen auch noch Bücher raus (aber die lese ich eh erst im Januar) 3. Bitte in die Kommentare schreiben

Das resignifying des Batik-Shirts: Ein Kennzeichen der Unhippen wird hip, dann unhip, dann hip, und bald hoffentlich wieder unhip

Erkennungszeichen: Hier wohnen Hippies! Oder Hipster. Oder so. (Foto von Kirsten Jennings, CC BY-NC-ND 2.0 via flickr.com)

Im Konfirmanden-Unterricht haben wir für unsere Gute-Nachricht-Bibeln aus Leinenstoffen Schutzumschläge genäht und diese anschließend gebatikt. Das war im letzten Jahrtausend.

Es war die Zeit der Pusteln, der Zahnspangen und des sexuellen Elends, fast wie bei Heinz Strunk – und die Erinnerungen daran und an die labberigen Stoffumschläge sind womöglich die Gründe, warum es für mich völlig unverständlich blieb, als ich erleben musste, dass Hipster in diesem Jahrtausend Batik-T-Shirts zu tragen begannen.

(Ist dieser Trend schon wieder vorbei? Ich hatte es erleichtert angenommen, doch dann sah ich in der vergangenen Woche auf der Party der jungen Verlage während der Frankfurter Buchmesse einen DJ, der im Batik-Shirt hinter dem Mischpult stand und mit großer Wirkung Caribou-Platten auflegte.)

Beim Batik-T-Shirt will für mich das resignifying, also die für den hipsterism wohl grundlegende Strategie, Zeichen aus ihrem alten Bedeutungszusammenhang zu lösen und neu zu kontextualisieren, einfach nicht funktionieren.

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Schon wieder einen Trend verpasst: Das schnelle Ende des Hipster Tri▲▲▲ngles

Abb. 1: Remix-Album der Noise-Band HEALTH, vorgestern veröffentlicht.

Aufgefallen ist es mir durch die exzessive Verwendung im Artwork der Band Y▲CHT, Pictureplane verwendet es auch, theoretisch hätte man es schon im Video zu »Seven Nation Army« von den White Stripes bemerken könne: Seit einiger Zeit stehen neben Christen und Verschwörungstheoretikern auch Indie- und Hipster-Zirkel (zumindest in den USA) schwer auf Dreiecke.

Siehe z.B. das Cover des soeben veröffentlichten Remix-Albums der Noise-Band HEALTH (Abb. 1), die Cover der bisherigen Veröffentlichungen der Band Truman Peyote (Abb. 2-3), das Design der ersten 7″ von Kisses, das Logo der Band White Ring… waren Musikblogs im vergangenen Jahr noch mit Bildern violetter Weltraumnebel verziert, sind heute Dreieck-Designs unvermeidbar.

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