Schlaf ist Freiheit. WĂ€hrend wir in jeder wachen Minute mit Werbung (mit Notifications, mit Fotos, mit Tweets) bombardiert und dazu angehalten werden, zu konsumieren (uns zu empören, unsere Meinung zu sagen, oder auf andere Weise den Zirkus am Laufen zu halten), wĂ€hrend es fĂŒr jedes andere menschliche BedĂŒrfnis (Essen, Trinken, Sex und Freundschaft) eine Milliardenindustrie gibt, die dieses ausbeutet, ist der Schlaf die letzte Enklave menschlicher Existenz, die vom Kapitalismus nicht kolonisiert wurde.
So oder so Àhnlich schrieb Jonathan Crary von einigen Jahren in seinem Essay 24/7 , in dem das Schlafen als eine linke, widerstÀndige Praxis erschien (mehr dazu hier in diesem Blog).
Aber, ach! Alles vorbei:
Finally, and perhaps inevitably, after centuries of simply concentrating on our waking hours, capitalism is coming for our sleep.
Das schreibt Stuart McGurk in der aktuellen Ausgabe der britischen GQ, fĂŒr die er bei WirtschaftsprĂŒfern, Premier-League-FuĂballvereinen und anderswo einige Player des â wie er schreibt â ÂŁ100-Milliarden-Marktes fĂŒr besseren Schlaf getroffen hat.
McGurk verschweigt nicht, dass es immer noch etliche Konzerne gibt, die sie der BekÀmpfung des Schlafes verschrieben haben (oder die den Schlaf ihrer Kunden als notwendigen Kollateralschaden ihres wirtschaftlichen Wachstums sehen).
Wunderbar pointiert dazu: Reed Hastings, CEO von Netflix und damit einer der Oberdisruptoren des Silicon Valley, der sagte, sein Ă€rgster Konkurrent sei nicht HBO oder Amazon Prime oder oder oder, sondern: der Schlaf. Wer schlĂ€ft, kann nicht Netflix schauen. Deshalb mĂŒssen die Leute weniger schlafen. Das schĂ€rfste Schwert in dieser Schlacht heiĂt Autoplay. (Link zum Hastings-Statement.)
Aber im Zuge des wachsenden Interesses an Mental-Health-Themen, als dessen Ursprung McGurk den Auftakt der Krisenkaskaden 2008ff ausmacht, gĂ€be es inzwischen auch den wirtschaftlichen »Megatrend Schlaf« â und groĂe Konzerne wie Apple, die sich gegen Netflix, YouTube/Google, Amazon positionieren, nĂ€mlich: pro Schlaf.
Let’s see who wins. Hier geht es zu McGurks Reportage (kostenlos lesbar).
Entdeckt habe ich den Artikel im Next-Draft-Newsletter von Dave Pell (den man hier abonnieren kann).
[Nachtrag, 6. August 2019]: Heute habe ich in Hamburg-Ottensen das Plakatmotiv von Ikea endeckt, das »fĂŒr eine bessere Work-Life-Sleep-Balance« wirbt. Passt zum Thema wie der Kopf aufs Kissen. Und dann hat noch irgendwer ein verzweifeltes kleines Retro-Graffito draufgekritzelt! Toll. Deshalb ist es jetzt das Aufmacherbild dieses Postings.