Hamburger Arroganz feat. Kurtis Blow

Ein wunderbares Fundstück deutscher Popgeschichte, gepriesen sei YouTube. WTF ist das? Hier erklärt’s André Luth (Yo Mama / Fettes Brot Schallplatten GmbH):

»In den Mitt-Achtzigern gab es die Band Hamburger Arroganz, die so eine Art Wham-Rap auf Deutsch versuchten. Die hatten sogar eine Single mit Kurtis Blow.«

(Quelle, S. 20)

Als Antwort auf die Frage, wer zuerst auf Deutsch rappte, wäre womöglich auch diese Band zu nennen (ohne behaupten zu wollen, dass sie was mit HipHop zu tun hat, Kurtis-Blow-Feature hin oder her). Bis die ersten Aufnahmen von Advanced Chemistry, Cora E. und anderen erschienen, sollten jedenfalls noch Jahre vergehen.

Ende 2021 gab es offenbar eine Reunion von Hamburger Arroganz, inkl. der Veröffentlichung neuer Songs, bisher allerdings weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Meine Damen und Herren: Es gibt hier eine Band wiederzuentdecken!

Hamburg Graffiti History 1980—1999

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Eine Stadt wird bunt: Hamburg Graffiti History 1980-1999, die neue Sonderausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte, erzählt von Graffiti in Hamburg als Zeitgeschichte der 1980er- und 1990er-Jahre.

Es geht um die (oft illegal praktizierte) Kunstform, aber ebenso sehr um die Räume, in denen sie stattfand, die Zeit, in der sie sich entwickelte und die Szenen und Subkulturen, die sie prägte.

Pointiert könnte man sagen: Man sieht gar nicht so viel Graffiti in dieser Graffiti-Ausstellung.

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Zu Besuch in der Superheldinnen-WG

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Comicfestival

Die Zeichnerin Marijpol hat sich für ihren Comic Hort die WG dreier Superheldinnen ausgedacht: Petra ist eine Bodybuilderin, Ulla eine Riesin und Denise experimentiert mit Körpermodifikationen (da, wo bei anderen Arme und Beine sind, ragen bei ihr lebende Schlangen aus Hosenbeinen und Ärmeln).

Allerdings sind es drei Superheldinnen, die nicht Verbrecher jagen, sondern versuchen, mit ihrem Alltag klarzukommen, eine ungleich schwierigere Aufgabe.

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Auf der Reeperbahn nachts um halb eins

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Meine Sorge, dass der Kiez bald dunkel bleiben würde, hat sich als unbegründet erwiesen.

Also klar: »Der Betrieb beleuchteter oder lichtemittierender Werbeanlagen ist von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages untersagt.« So steht es in der Verordnung der Bundesregierung zum Energiesparen (a.k.a. EnSikuMaV). Aber das heißt ja noch lange nicht, dass sich jetzt alle daran halten.

Im Falle der Großen Freiheit ist das vermutlich gut so und laut Verordnung auch zulässig, wenn es zur »Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit oder zur Abwehr anderer Gefahren erforderlich ist«.

Trotzdem Chapeau an Susis Show Bar für die vorbildliche Gesetzestreue.

Faktenwissen und Teilhabe

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) verteidigt im Gespräch mit Moritz Baumann vom Newsletter Table.Bildung das Kerncurriculum, das Bestandteil seiner aktuell laufenden Reform der Bildungspläne ist:

Überall […] werden von jungen Erwachsenen Lese-, Rechtschreib- und Mathematikkenntnisse sowie Grundkenntnisse über unsere Welt erwartet. Da geht es um konkretes Faktenwissen, das aber bisher kaum in unseren Bildungsplänen berücksichtigt ist – mit dem hanebüchenen Argument, das sei Pädagogik von gestern. Das Ergebnis ist ein Skandal: Natürlich verfügen Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern über dieses Faktenwissen. Aber wir haben in Hamburg 40 Prozent Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern, die dieses Privileg nicht haben. Es empört mich, dass privilegierte Milieus, die sich in der Bildungspolitik engagieren, das Faktenwissen in der Schule zurückdrängen wollen. Sie riskieren damit, dass Schüler aus bildungsfernen Familien nach der Schule weder ein Bewerbungsgespräch bestehen noch eine Nachrichtensendung verstehen.

Rabe argumentiert nicht im Sinne einer (christdemokratischen) »Leitkultur«, sondern sozialdemokratisch, mit Chancengleichheit und Teilhabe.

Ähnlich argumentierte in den USA etwa Eric Liu, der »kulturelle Alphabetisierung« und Teilhabe zusammendenkt (in der Tradition von E.D. Hirsch, dessen Überlegungen hierzulande bisher offenbar kaum eine Rolle spielten. Why?)

Das ganze Interview gibt es hier (Aboschranke).

Was passiert im Übersee-Club?

Überseeclub

Wer sich für die jüngere Geschichte Hamburgs interessiert, kommt am Übersee-Club nicht vorbei. Einige der wichtigsten politischen Reden des 20. Jahrhunderts wurden hier gehalten.

Als etwa der Bürgermeister Paul Nevermann (SPD) Anfang der Sechzigerjahre über »Hamburg an der Schwelle eines neuen Jahrzehnts« sprach, tat er das in dem Club an der Alster. Sein Nachfolger Klaus von Dohnanyi (SPD) rief hier in den Achtzigern das »Unternehmen Hamburg« aus und Henning Voscherau (SPD) stellte seine Pläne zum Bau der HafenCity im Übersee-Club vor. Olaf Scholz (SPD) und Peter Tschentscher (SPD) haben hier selbstverständlich auch schon gesprochen.

Was die Fragen aufwirft: Wenn Bürgermeister ihre Grundsatzreden halten, wieso ist dann so oft dieser exklusive Club der Gastgeber? Warum reden sie nicht im Rathaus, dem Haus aller Bürgerinnen und Bürgern der Stadt?

Mein Ressortchef Marc Widmann und ich hatten etwas Erklärungsbedarf, als wir neulich den früheren Vorstandsvorsitzenden der Hapag Lloyd AG und heutigen Präsidenten des Übersee-Clubs, Michael Behrendt, auf zwei karge Espressi trafen. Hier geht es zum Interview (für Menschen mit ZEIT-Abo). Oh, oh, oh!

Fake Lips Done Cheap 👄👄

Das Aufspritzen von Lippen ist in den vergangenen Jahren zu einem Massenmarkt geworden, sagt der freie Journalist Tom Kroll, und vor allem über Instagram wird der Eingriff beworben. Nicht alle, die ihn anbieten, dürfen das – denn rechtlich braucht man ein Medizinstudium oder mindestens eine Heilpraktiker-Ausbildung, um Spritzen setzen zu dürfen.

Etliche Anbieterinnen, die auf Instagram mit Billigpreisen werben und den Eingriff in Hinterzimmern von Frisör- oder Beauty-Salons vollziehen, agieren illegal, begehen eine Straftat und riskieren die Gesundheit ihrer Kundinnen. Tom Kroll hat zum Schwarzmarkt der illegalen Schönheitseingriffe recherchiert und darüber für den Hamburg-Teil der ZEIT berichtet.

Im Podcast der »Freunde der ZEIT« habe ich mit ihm darüber gesprochen, was er herausgefunden hat. Hier gibt es die ganze Episode kostenlos zu hören.

Schule im Containerbau

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Wer mit offenen Augen durch Hamburg läuft, kennt die Container, die längst nicht mehr nur im Hafen stehen, sondern auch auf den Schulhöfen der Stadt. Dort dienen sie als Klassenräume für Kinder, die in den Gebäuden keinen Platz mehr finden. Denn Hamburg wächst, und der Schulbau kommt nicht hinterher.

Öffentliche Bauvorhaben brauchen Zeit und oft sogar mehr Zeit als geplant. Das ist in der HafenCity zu sehen, wo die Schülerinnen und Schüler des neuen Gymnasiums, der Grund- und Stadtteilschule derzeit in einem »temporären Schuldorf« untergebracht sind. Genauer: in Containern. Erst in vier Jahren soll der eigene Neubau bezugsfertig sein. (Foto links)

Oder in Altona, wo anderthalb Jahre nach dem symbolischen ersten Spatenstich durch den Bürgermeister der Bau des Deutsch-Französischen Gymnasiums an der Königstraße immer noch nicht richtig angefangen hat. (Foto rechts)

Wie Finanz- und Schulbehörde das Problem lösen wollen (Spoiler: Es hat ebenfalls was mit Containern zu tun, aber auf ganz andere Weise), das habe ich hier für DIE ZEIT aufgeschrieben.

Auf dem Schulhof mit Zoe Wees

Zoe Wees

»Zoe, das darf man doch nicht!«, rief Frau Wesemüller durch die Aula der Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg (ATW). Aber da stand Zoe Wees schon auf den Heizkörpern, um für den Fotografen Dennis Dirksen zu posieren.

Und vielleicht meinte es Sabine Wesemüller, die Leiterin der Grundschule und der legendären Chorkatzen, bei denen Zoe einst gesungen hat, auch gar nicht so ernst.

Sie waren ja alle froh, dass Zoe Wees wieder hier war: Das Mädchen, das vor zwei Jahren noch Schülerin des ATW war und inzwischen in einigen der beliebtesten amerikanischen Late-Night-Shows aufgetreten ist, als erste deutsche Künstlerin bei den American Music Awards und die bei Spotify mehr monatliche Hörer hat als Nena und Helene Fischer zusammen.

Mein Artikel über Zoe Wees, ihren sensationellen Erfolg als Sängerin, ihre alte Schule und alles andere, ist in der ZEIT im Hamburg-Ressort zu lesen oder hier auf ZEIT ONLINE (#abo).

Das beste Jugendbuch des Jahres

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Krummer Hund ist das beste Jugendbuch des Jahres 2021. Sage nicht ich, sondern die Jury des Luchs-Preis für Kinder- und Jugendliteratur. Dieses Urteil scheint mir plausibel zu sein.

Am Freitag, 18. März, wird der Preis an die Autorin Juliane Pickel überreicht, die Laudatio hält Sven Regener, das könnte ein guter Abend werden. (Für alle, die nicht in den Resonanzraum kommen können oder wollen, gibt es ab 19 Uhr einen Livestream hier.)

Ich habe Juliane Pickel neulich schon treffen dürfen, wir waren verabredet in einem Keller auf St. Pauli. Mein Text über unsere Begegnung steht jetzt hier auf ZEIT ONLINE.

Und wegen Krummer Hund: Man kann das auch sehr gut als Erwachsene/r lesen!

P.S.: Bitte nicht über meine Topfblumen lachen.