»Kunst auf Rezept: Wie sinnliche Erlebnisse heilen können«, ist die Überschrift eines Artikel von Susanne Donner, der heute im Tagesspiegel erschienen ist (online hier, hinter der Abo-Schranke).
Donner berichtet über Forschungsprojekte, die Kunst und Musik in therapeutischen Kontexten einsetzen, etwa »Kunst auf Rezept« in Schweden, das von der Psychologin Anita Jensen von der Uni Aalborg betreut werde. Menschen mit einer psychischen Erkrankung gehen dabei zehn Wochen lang zweimal pro Woche in Kultureinrichtungen.
»Die meisten waren vorher nie in einem Museum oder einer Oper«, sagt Jensen. Und sie staunen über die Stimmungsaufhellung und das wachsende Selbstwertgefühl, wie sie unter anderem in einer Veröffentlichung in »Perspectives in Public Health« darlegte. Auch die betreuenden Ärzte würden bemerken, dass es ihren Kranken besser geht.
Diese Schilderung ist faszinierend – immerhin wird viel darüber geredet, wie man Schwellenängste abbauen und Menschen in Museen und Theater locken kann. Da gibt es Tage mit kostenlosem Eintritt und dergleichen mehr, das wirksam sein mag oder auch nicht. Aber Donner schildert hier einen Ansatz, der ja – wenn sie mit ihren Ausführungen recht hat – nicht nur den Patient*innen nützt, sondern auch den Museen und Opern, der nicht nur Leiden zu mindern scheint, sondern auch einen wirksamen »Outreach« der beteiligten Kulturinstitutionen darstellt. Toll!
Unklar ist aber, ob es wirklich die Kunst und die »sinnlichen Erlebnisse« sind, denen hier heilende Fähigkeiten zugesprochen werden können. Immerhin wird die Psychologin Jensen auch mit den Worten zitiert: »Vielen Menschen tut schon der Austausch mit anderen […] sehr gut.«
Ich wüsste gerne mehr! Ist primär der Kontakt zu anderen Menschen heilsam und die Kunst bloß der Anlass dafür? Dann braucht es die Kunst nicht, dann könnten die Patienten statt ins Museum und in die Oper aber auch in den Zoo oder ins Stadion gehen.
Oder senkt ein Museumsbesuch den Stress, weil es ein Ort der Kontemplation, der Ruhe und konzentrierten Aufmerksamkeit ist? Dann aber wäre wohl auch ein Aufenthalt im Kloster hilfreich, zumal verglichen mit dem Trubel, der in einem beliebten Museum während der Stoßzeiten herrscht.
Sollte es tatsächlich der Kontakt mit den Kunstwerken sein, die zur Heilung beiträgt, gibt es dann Erkenntnisse dazu, ob es einen Unterschied der Wirksamkeit von Originalen und Reproduktionen gibt? Denn: Kunstdrucke ins Krankenhaus zu hängen, die da lustlos gerahmt langsam im Sonnenlicht ausbleichen, wird ja kaum der Therapie zuträglich sein … ?