Eigentlich ist es eine recht schlichte Übung in logischem Denken.
Erstens: Deutschland gibt Kunstwerke, die britische Kolonialsoldaten Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Königspalast von Benin raubten und in verschiedene Länder weiterverkauften, mehr als hundert Jahre nach diesem Raub nach Nigeria zurück. Die Rückgabe erfolgt bedingungslos.
Zweitens: Der dortige Staatspräsident hat entschieden, das Eigentum an dieser Raubkunst den Erben der Königsfamilie zu übertragen.
Ist Punkt zwei bedauerlich? Ja, schreibt der FAZ-Redakteur Andreas Kilb sinngemäß und formuliert in der heutigen Ausgabe seiner Zeitung:
»Der entscheidende Unterschied zwischen einem Palast und einem Museum liegt in der Zugänglichkeit. Ein Museum ist öffentlich, ein Palast privat. In ein Museum gelangt man mit einer Eintrittskarte, in einen Palast mit einer Einladung. Museen sind Orte der Inklusion, Paläste solche der Exklusion. Wer die Benin-Bronzen in Zukunft an ihrem Entstehungsort in Nigeria sehen will, wird diesen Unterschied zu spüren bekommen.«
Aber bedeutet das, dass irgendwas mit Punkt eins nicht stimmt? Nope.
Raubkunst bleibt Raubkunst und ihre Rückgabe ist eine Frage des Anstands. Zu behaupten, man könne die Kunstwerke im reichen Europa viel besser aufbewahren und präsentieren als in einem ärmeren afrikanischen Land (wie heute nicht zum ersten Mal in der FAZ nahegelegt wird), berührt weder die moralische noch die rechtliche Dimension dieser Feststellung und ist im übrigen faktisch falsch.
Wie man in Bénédicte Savoys Buch Afrikas Kampf um seine Kunst nachlesen kann, gilt der größere Teil der in Berlin aufbewahrten Raubkunst aus Benin seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Das mal als Fun Fact zum heutigen Tag der Befreiung: Offenbar empfiehlt es sich, Schätze des Menschheitserbes nicht in einem Land aufzubewahren, dass Weltkriege anzettelt.
Diese Einwände verschweigen gerne jene, die meinen, wegen unerfreulicher Entscheidungen in Nigeria (Punkt zwei) oder wegen des dortigen Klimas oder wegen der Qualität der dortigen Museum (oder oder oder) müsse man die bedingungslose Rückgabe der Raubkunst (Punkt eins) grundsätzlich in Frage stellen.
Außerdem argumentieren Kilb und andere hoffnungslos (es graut mir davon, das schlimme Wort zu verwenden, doch die Debatte macht es unvermeidlich) EUROZENTRISCH (mal in Stuckrad-Barre’esquen Phrasen-Kapitälchen).
Denn selbstverständlich gelangt man in ein Museum nicht einfach mit einer Eintrittskarte. Jedenfalls nicht, wenn man Nigerianer*in ist und das Museum in Europa liegt. Dann wird einem vielleicht nicht das spezifische Museum in Hamburg, Berlin oder Leipzig, dafür aber der ganze Kontinent als Ort der Exklusion erscheinen.