Danko Jones sind Rocker zweiter Ordnung: Zugleich eine Rockband und die Karikatur einer Rockband. Das war am vergangenen Wochenende bei ihrem Auftritt auf dem Roskilde-Festival zu beobachten.
Diese Wirkung erreicht die Band durch ihr Auftreten (dazu später mehr) sowie durch konsequente Reduktion in der Musik (Powerchords, verzerrter Bass, geradliniges Schlagzeug) und in den Texten.
In den in Roskilde aufgeführten Songs gab es nur zwei Sujets: Entweder besang Danko Jones, der Sänger, der sich mit seiner Band den Namen teilt, seine eigene kraftstrotzende Männlichkeit (»My mother raised a devil’s child«). Oder er huldigte den weiblichen Objekten seines Begehrens.

Dabei deklinierten Danko Jones so ziemlich alle verfügbaren Softporno-Klischees durch: Ein Song handelte von langen Beinen, aber wirklich »looong, loooooong legs«, mindestens »ten feet tall«, wie Jones sang. Ein anderer erzählte von einem kurzen Rock, der beim Laufen nach oben rutscht. Ein dritter davon, wie eine Frau Eiscreme leckt. Und so weiter.
Ewig lockt das Weib – und ewig ist das lyrische Ich allein, geil bis kurz vorm Bersten und auf der Suche nach Entladung.
Dazu – also zum sexuellem Vollzug – kommt es in den Texten jedoch nie. »Do you do it on the first date?«, singt Jones: »Cause I do, yes I do, yes I do, yes I do, yes I do«. Kennt man ja vom Schulhof: Diejenigen, die ständig von ihrem geilen Sex labern, sind in echt die verklemmtesten Jungfrauen von allen.
Zwei Eindrücke von einem Konzert in Wien 2012 (inhaltlich nahezu identisch mit dem, was Danko Jones in Roskilde spielten und sagten):
Das Auftreten und die Körperperformance von Danko Jones und seiner Band deckte sich mit den Texten. All die küchenpsychoanalytischen Klischees, mit denen Kritiker auf den Rock’n’Roll eindreschen – die Gitarre als Phallus, das Solo als Masturbation, der ganze Rock’n’Roll-Gestus als eine Sublimierung von Samenstau – hier waren sie zu erleben.
Das Konzert von Danko Jones stand damit in einem interessanten Verhältnis zum Auftritt von Peaches am Vorabend.
Bei Peaches hüpften als überdimensionale Vaginen verkleidete Tänzer über die Bühne, deren Schamlippen sich rhythmisch öffneten und schloßen, ein Einhorn aus Plüsch gallopierte vorbei, ein stark behaarter Mann trug Latex-Schnürstiefel bis über die Knie und sonst fast nichts, eine Barbusige räkelte sich mit Selfie-Stick, Peaches selbst zog sich während der Show mehrmals um und dabei zunehmend aus, wobei eine Kamera ihre Cellulite im Close-Up abfuhr und metergroß auf Leinwände projizierte, während die Sängerin Stücke spielte mit Titeln wie wie Dick in the Air und Fuck the Pain Away.
Eine Konzertszene aus Berlin, 2012 – die Kostüme waren in Roskilde andere, aber für einen ersten Eindruck ist das hier recht aussagekräftig:
Die Konzerte von Danko Jones und Peaches, die im Abstand von wenigen Stunden aufeinander folgten, hatten in punkto Musik und Bühnenshow wenig gemein – und behandelten doch beide fast ausschließlich das Begehren, in einer absolut unerotischen (wenn Erotik etwas mit Subtilität und Ambivalenz zu tun hat) und hypersexualisierten Weise.
Der offensichtliche Unterschied beider Ansätze: Peaches war bemüht, in ihrer Performance klassische Geschlechterdarstellungen zu durchkreuzen, etwa indem sie vor allem solche Körperregionen thematisierte, die sonst verborgen oder tabuisiert sind, oder indem sie als dominante Frau auftrat, die sich Männer (und andere Frauen) zum gemeinsame Lustgewinn unterwirft. Danko Jones Geschlechterdarstellung »klassisch« zu nennen, wäre fast untertrieben.
Und doch passierte bei Danko Jones etwas Interessantes: Nichts an der Musik und Performance der Band war »spontan« oder »naturwüchsig«, oder wie Rockmusiker ihre Kunst sonst bisweilen verstanden wissen wollen. Alles war einstudiert, erlent und sorgfältig nachgespielt. Die Show war perfekt – aber sie blieb eben immer Show.
Der »real rock’n’roll«, den Sänger Danko Jones nach eigener Aussage spielen wollte, war vor allem reenactment. Und das overacting bei seinen Rockstarposen, Ansagen und anzüglichen Witzen erinnerte mich an Musicaldarsteller, die eine Rockband darstellen.
Wie eine Dragqueen, bei der alles Weibliche zu viel und dadurch als künstlich zu erkennen ist (die Haare zu blond, die Brüste zu groß, Wimpern zu lang, die Lippen zu rot, usw.) ist auch die Männlichkeit der Bühnenpersona von Danko Jones in Gestik, Mimik, Stimme, Rocksound und lyrischer Selbstbeschreibung so überzeichnet, dass sie künstlich wird, bzw. sich als künstlich offenbart, nämlich als erlernte soziale Praxis.
Gewollt oder ungewollt betreiben Danko Jones Subversion durch Überaffirmation. Ihre Show ist Travestie, nur dass der Sänger und seine Band nicht das Auftreten des biologisch anderen, sondern des eigenen Geschlechts aufführten.
Damit ist Danko Jones Hyperheterosexualität am Ende – ganz anders in ihren Mitteln, aber ähnlich pointiert in ihrer Wirkung – wohl mindestens so queer wie das offensive Gender Bending von Peaches.
[Nachtrag, 8.7.2016] Gestern ist das neue Video von Peaches zu ihrem Song Vaginoplasty veröffentlicht worden. Darin zu sehen sind ihre Tourtänzer und viele der Motive ihrer Live-Performance, die ich oben zu beschreiben versuchte:
[via i-D]
Offenlegung: Das Roskilde Festival besuchte ich auf Einladung der Veranstalter bzw. ihrer PR-Agentur Factory 92, die meinen Eintritt, die Hälfte meiner Anreisekosten & zwei, drei Bier bezahlten.